Regelfunktionen und gleichmäßige Approximation durch Treppenfunktionen

Ist {f_n \rightarrow f} gleichmäßig für stetige {f_n}, so ist {f} ebenso stetig. Für das erste Lemma sei noch einmal kurz ein an einen klassischen Beweis dieser Tatsache erinnert. Sei also {f_n \rightarrow f} gleichmäßig und die {f_n} alle stetig. Es sei {x_0 \in [a,b]}. Wähle ein {n} so dass

\displaystyle | f(x) - f_n(x) | < \varepsilon

für alle {x \in [a,b]} und ein {\delta > 0} so dass für alle {x_0 - \delta < x < x_0 + \delta} gilt {| f_n(x_0) - f_n(x) | < \varepsilon}, dann folgt für eben jene {x \in (x_0 - \delta, x_0 + \delta)}

\displaystyle |f(x) - f(x_0)| \le |f(x) - f_n(x)| + |f_n(x) - f_n(x_0)| + |f_n(x_0) - f(x_0)| \le \varepsilon + \varepsilon + \varepsilon.

Der folgende Beweis funktioniert ähnlich. Wir schreiben {f(x_0+) = \lim_{x \uparrow x_0} f(x) = \lim_{x\rightarrow x_0+} f(x)} für den rechsseitigen und {f(x_0-) = \lim_{x\downarrow x_0} f(x) = \lim_{x\rightarrow x_0-} f(x)} für den linksseitigen Grenzwert von {f} im Punkt {x_0}, sofern dieser existiert. Zur Definition von Regelfunktionen siehe diesen Beitrag.

Lemma: Ist {f_n \rightarrow f} gleichmäßig, und sind die {f_n} Regelfunktionen, dann ist auch {f} eine Regelfunktion und es gilt

\displaystyle f(x_0+) = \lim_{n\rightarrow \infty} f_n(x_0+) \quad\mbox{und}\quad f(x_0-) = \lim_{n\rightarrow \infty} f_n(x_0-).

für {x_0 \in [a,b]}.

Beweis: Zu {a \le x_0 < b} betrachte den rechtsseitigen Grenzwert, der linksseitige wird analog behandelt. Zunächst ist zu zeigen dass die Folge {f_n(x_0+)} tatsächlich konvergiert. Ist {\varepsilon > 0} vorgegeben, so wähle {N} so dass für {n,m \ge N}

\displaystyle | f_n(x) - f_m(x) | < \varepsilon

für jedes {x \in [a,b]}. Wähle nun zu festen {n, m \ge N} ein {\delta > 0} so dass aus {x_0 < x < x_0 + \delta} folgt

\displaystyle | f_n(x_0+) - f_n(x) | < \varepsilon, \qquad | f_m(x_0+) - f_m(x) | < \varepsilon.

Dann ist für {x_0 < x < x_0 + \delta}

\begin{array}{ll}  | f_n(x_0+) - f_m(x_0+) | & \le | f_n(x_0+) - f_n(x) | + | f_n(x) - f_m(x) | + | f_m(x) - f_m(x_0+) | \\  & \le 3\cdot \varepsilon.  \end{array}

und damit ist {\{ f_n(x_0+) \}} eine Cauchyfolge in {\mathbb R}, mithin konvergent, setze {L := \lim_{n\rightarrow\infty} f_n(x_0+)}.

Es sei {\varepsilon > 0} gegeben. Wähle {N'} so dass

\displaystyle | f(x) - f_n(x) | < \varepsilon

für {n \ge N'} und alle {x \in [a,b]}, und {N''} so dass

\displaystyle | f_n(x_0+) - L | < \varepsilon

für {n \ge N''}. Setze {N := \max\{ N', N'' \}}. Weiterhin wähle {\delta > 0} so dass mit {x_0 < x < x_0 + \delta} folgt {| f_N(x_0+) - f_N(x) | < \varepsilon}. Insgesamt hat man also für {x_0 < x < x_0 + \delta}

\displaystyle | f(x) - L | \le | f(x) - f_N(x) | + | f_N(x) - f_N(x_0+) | + | f_N(x_0+) - L | \le 3\varepsilon.

Dass heisst zu jedem {\varepsilon > 0} gibt es ein {\delta} so dass aus {x_0 < x < x_0 + \delta} folgt {| f(x) - L | < \varepsilon}, dies ist aber genau die Definition des rechtsseitigen Grenzwertes {f(x_0+)}, und da dieser eindeutig ist folgt

\displaystyle f(x_0+) = L = \lim_{n\rightarrow\infty} f_n(x_0+). \qquad \square

Dass eingangs erwähnte Resultat, dass sich bei gleichmäßiger Konvergenz die Stetigkeit übertragt, folgt aus obigen.

Korollar: Ist {f_n \rightarrow f} gleichmäßig und sind alle {f_n} stetig, so ist auch die Grenzfunktion {f} stetig.

Beweis: Da die {f_n} stetig ist für alle {x_0 \in (a,b)} {f_n(x_0+) = f_n(x_0-) = f_n(x_0)}, und damit

\displaystyle f(x_0+) = \lim_{n\rightarrow \infty} f_n(x_0+) = \lim_{n\rightarrow \infty} f_n(x_0-) = f(x_0-)

und wegen {f(x_0) = \lim_n f_n(x_0) = \lim_n f_n(x_0-) = f(x_0-)} folgt weiter {f(x_0) = f(x_0-) = f(x_0+)}. {\square}

Noch einmal zum Vergleich mit dem eingangs gebrachten Beweis. In diesem war der Existenzteil für {\lim_{n\rightarrow \infty} \lim_{x\rightarrow x_0} f_n(x)} überflüssig, da hier {\lim_{x\rightarrow x_0} f_n(x) = f_n(x_0)} und {\lim_{n\rightarrow \infty} f_n(x_0) = f(x_0)} nach Voraussetzung, aber wenn die {f_n} nur Regelfunktionen sind müssen die Grenzwerte eben nicht gleich dem Funktionswert sein, und ihre Konvergenz muss separat gezeigt werden, da wir ja nur von den Funktionswerten wissen dass sie konvergieren.

In einenm vorherigen Beitrag haben wir gezeigt dass es zu jedem Punkt und {\varepsilon > 0} eine punktierte Umgebung gibt in der {f} keine Sprünge größer als {\varepsilon} hat, mit einem im Prinzip gleichen Schluss verschärfen wir die Formulierung in folgendem Lemma. Setze hierzu

\displaystyle o(f, (a,b)) := \sup_{s\in (a,b)} f(s) - \inf_{s\in (a,b)} f(s)

die Oszillation der Funktion auf dem Intervall {(a,b)}.

Lemma: Es sei {x_0 \in [a,b]} und {f : [a,b]\rightarrow \mathbb R} eine Regelfunktion. Zu jedem {\varepsilon > 0} gibt es ein {\delta > 0} so dass

\displaystyle o(f, (x_0 - \delta, x_0)) < \varepsilon, \qquad o(f, (x_0, x_0 + \delta)) < \varepsilon.

(Bemerkung, wenn bei {x_0} ein Sprung vorliegt so ist natürlich {o(f, (x_0-\delta, x_0 + \delta) \ge} Sprunghöhe).

Beweis: Es sei {a < x_0 < b} (Randpunkte analog) und {\varepsilon > 0}. Wähle ein {\delta} so dass aus {x_0 - \delta < x < x_0} folgt {| f(x_0-) - f(x) | < \varepsilon/2} und aus {x_0 < x < x_0 + \delta} folgt {| f(x_0+) - f(x) | < \varepsilon/2}, dann ist für {x, x' \in (x_0 - \delta, x_0)}

\displaystyle | f(x) - f(x') | \le |f(x) - A| + |A - f(x')| < \varepsilon

und analog für {x, x' \in (x_0, x_0 + \delta)}. {\square}

Damit haben wir alles zusammen um Regelfunktionen genau als jene Funktionen, welche gleichmäßig durch Treppenfunktionen angenähert werden können, zu charakterisieren.

Satz: Eine Funktion {f : [a,b] \rightarrow \mathbb R} ist genau dann eine Regelfunktion, wenn es zu jedem {\varepsilon > 0} eine Treppenfunktion {\varphi : [a,b] \rightarrow \mathbb R} gibt mit

\displaystyle | f(x) - \varphi(x) | < \varepsilon

für alle {x \in [a,b]}. Dies ist gleichwertig damit dass {\varphi_n \rightarrow f} gleichmäßig für eine Folge von Treppenfunktionen {\varphi_n}.

Beweis: i) Treppenfunktionen sind Regelfunktionen. Mit obigen Lemma ist also auch {f} eine Regelfunktion wenn {\varphi_n \rightarrow f} gleichmäßig für eine Folge von Treppenfunktionen.

ii) Es sei {f : [a,b] \rightarrow \mathbb R} eine Regelfunktion. Setze {\varepsilon_n : = 1/n} und bezeichne zu jedem {x \in [a,b]} mit {\delta_x^n > 0} den Wert aus obigen Lemma so dass

\displaystyle o(f, (x - \delta_x^n, x)) < \varepsilon_n, \qquad o(f, (x, x + \delta_x^n)) < \varepsilon_n.

Dann ist die Familie der Mengen

\displaystyle (x - \delta_x^n, x + \delta_x^n), \quad x \in [a,b]

eine offene Überdeckung von {[a,b]} zu jedem {\varepsilon_n}. Aufgrund der Kompaktheit kann man zu jedem {\varepsilon_n} endlich viele auswählen. Von diesem endlich vielen ausgewählten Intervallen, beachte dass an den Mittelpunkten die Sprünge beliebig groß werden können, und dass diese nicht disjunkt sein müssen. Bezeichne also mit {X^{(n)} := \{ x_1^{(n)}, \ldots, x_{m_n}^{(n)} \}} die Menge der Mittelpunkte der Ausgangsintervalle. Weiter zerlege die Intervalle in disjunkte offene Intervalle, dies geht da der Schnitt zweier offene Intervalle stets ein offene Intervall ist. So erhält man eine endliche Folge disjunkter Intervalle, bezeichne ihre Endpunkte mit {a_{i}, i = 1,\ldots, k}, und nimm an

\displaystyle a_1 < a_2 < \ldots < a_k.

Einige der Endpunkte können aus {X^{(n)}} sein. Betrachte nun die Menge {\{ a_i : i = 1,\ldots, k \} \cup X^{(n)}} und bezeichne ihre Elemente mit {b_i, i=1,\ldots, l} und ordne diese an

\displaystyle b_1 < b_2 < \ldots < b_l.

Dann wissen wir dass {o(f, (b_i, b_{i+1})) < \varepsilon_n}, und nur diese Endpunkte aus der Reihe tanzen. Definiere die Treppenfunktion

\displaystyle \varphi_n(x) = \left\{ \begin{array}{ll} f\left( \frac{b_{i+1} + b_i}{2} \right) & \textrm{falls } x \in (b_i, b_{i+1}) \\ f(b_i) & \textrm{falls } x = b_i \textrm{ fuer ein }i.\end{array}\right.

Sei jetzt {x \in [a,b]} und {b_i < x < b_{i+1}}. Dann ist {\inf_{s \in (b_i, b_{i+1})} f(s) \le \varphi_n(x) \le \sup_{s\in (b_i, b_{i+1})} f(s)} und wegen {\sup_{s\in (b_i, b_{i+1})} - \inf_{s\in (b_i, b_{i+1})} f(s) = o(f, (b_i, b_{i+1}) < \varepsilon_n}

\displaystyle | \varphi_n(x) - f(x) | < \varepsilon_n

und für {x = b_i} ist {\varphi_n(x) = f(x)}. Also ist {\varphi_n \rightarrow f} gleichmäßig. {\square}

Damit ergeben sich direkt ein paar Folgerungen.

Korollar: Jede Regelfunktion ist beschränkt.

Beweis: Wähle eine Treppenfunktion {\varphi} mit {|\varphi(x) - f(x)| < 1}. Da eine Treppenfunktion nur endlich viele Werte annimmt, ist sie beschränkt und zu {x \in [a,b]} folgt

\displaystyle | |\varphi(x)| - |f(x)| | \le |\varphi(x) - f(x)|

was {|f(x)| - |\varphi(x)| \le |\varphi(x) - f(x)|} bzw. {f(x) \le |\varphi(x)| + |\varphi(x) - f(x)}. {\square}

Die Umkehrung gilt natürlich nicht, denn beispielsweise ist die Indikatorfunktion der rationalen Zahlen auf {[0,1]} keine Regelfunktion, wohl aber beschränkt.

Auch eine bereits in gezeigte Behauptung ergibt sich damit recht einfach.

Korollar: Die Anzahl der Unstetigkeitsstellen ist höchstens abzählbar.

Beweis: Es sei {\varphi} eine Treppenfunktion mit

\displaystyle | \varphi(x) - f(x) | < \frac{1}{2n}

für alle {x \in [a,b]}. Es seien {x_1, \ldots, x_k} die Punkte, so dass {\varphi} auf {(x_i, x_{i+1})} für {i=1,\ldots,k-1} jeweils konstant ist, und damit insbesondere stetig. Damit folgt für {x_i < x_0 < x_{i+1}}

\displaystyle \lim_{x \uparrow x_0} | \varphi(x) - f(x) | = \left| \lim_{x\uparrow x_0} \varphi(x) - \lim_{x\uparrow x_0} f(x) \right| = | \varphi(x_0) - f(x_0-) |

und analog für die Annäherung von rechts {| \varphi(x_0) - f(x_0+) |}. Damit {|f(x_0+) - f(x_0-)| \le |f(x_0+) - \varphi(x_0)| + |\varphi(x_0) - f(x_0-)| < 1/n}. Dass heisst nur an den endlich vielen Punkten {x_1,\ldots, x_k} kann {|f(x_0+) - f(x_0-)| \ge 1/n} gelten. Weiter gilt

\begin{array}{ll}  x_0 \textrm{ ist Unstetigkeitsstelle }& ~ \Leftrightarrow | f(x_0+) - f(x_0-) | > 0 \\  & ~ \Leftrightarrow | f(x_0+) - f(x_0-) | > 1/n \textrm{ fuer ein }n \end{array}

d.h. wir haben

\displaystyle \{ x_0 \in [a,b] : x_0 \textrm{ ist Unstetigkeitsstelle } \} = \bigcup_{n=1}^{\infty} \{ x_0 \in [a,b] : |f(x_0+) - f(x_0-)| > 1/n \}

womit die Menge der Unstetigkeitstellen eine abzählbare Vereinigung endlicher Mengen ist, mithin abzählbar. {\square}

Literatur

Blogbeitrag, Über die Unstetigkeitsstellen von Regelfunktionen,
Link

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